Die Ursprünge des Milizprinzips reichen bis ins alte Griechenland sowie in die frühe römische Republik zurück. Schon damals bezeichnete der Begriff die Ausübung ziviler Ämter. Wichtige Staatsstellen sollen nicht von Beamten besetzt werden, sondern die Bürger haben ihre Verantwortung für das Gemeinwesen in allen öffentlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Bis heute hat sich die Milizidee nicht verändert, nach wie vor werden öffentliche Ämter nebenberuflich ausgeübt und ist ein wesentliches Merkmal unseres föderalistischen direktdemokratischen Staats.
Nach dem geltenden Geschäftsreglement des Kantonsrates von Solothurn legt die Ratsleitung im Einvernehmen mit dem Regierungsrat den Sessionsplan für das folgende Jahr fest. Die jeweiligen Einladungen zu den Kantonsratssitzungen erfolgen schriftlich spätestens zehn Tage vor Sessionsbeginn. Unter diesen Voraussetzungen koordiniert dann der Arbeitnehmer zusammen mit seinem Arbeitgeber die Arbeitseinsätze. Ebenso verlassen sich Eltern auf die publizierten Sitzungszeiten, um die Betreuung ihrer Kinder während der Session sicherzustellen. Problematisch für unselbständige Angestellte und Eltern wird es dann, wenn Sessionshalbtage kurzfristig – und nicht nur um 15 Minuten – ausgedehnt werden. Sie können dann ihrer Milizarbeit nicht mehr nachgehen, respektive ihre Wähler und Wählerinnen vertreten. Das ist eine massive Benachteiligung und muss entsprechend im Geschäftsreglement angepasst werden.
Die Argumente der Ratsleitung können wie folgt widerlegt werden:
- Das aktuelle Geschäftsreglement enthält eine Aufzählung von Ordnungsanträgen, wobei die Verlängerung der Sitzung resp. Anpassung der Sitzungszeiten nicht explizit erwähnt wird. Interessant dabei ist, dass andere Kantone eine Sitzungszeitverlängerung mittels Ordnungsantrag ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnen. Die Möglichkeit die Sitzungszeit mit einem Ordnungsantrag anzupassen, ist somit eine eigene Interpretation der Ratsleitung.
- In der Stellungnahme der Ratsleitung unter dem Kapitel 3.2 wird als Vergleich der Nationalrat herangezogen. Aus dem Geschäftsreglement des Nationalrats ist hervorzuheben, dass beispielsweise Nachtsitzungen nur angesetzt werden, wenn es die Geschäftslast und die Dringlichkeit der Geschäfte erfordert. Während der skandalösen Januar-Session 2022 traf dieser Tatbestand bei weitem nicht zu. Zudem hinkt der Vergleich zwischen dem kantonalen und nationalen Parlament deutlich hinterher, da zum einen der Nationalrat für zwei Wochen am Stück tagt und nicht nur drei Halbtage. Zum anderen klafft die Entschädigung zwischen einem Nationalrat und einem Kantonsrat signifikant auseinander, was eine Sitzungsverlängerung für einen unselbständigen Angestellten zu finanziellen Einbussen führen könnte.
- Dass bei Annahme des Auftrags der Handlungsspielraum des Parlaments eingeschränkt wird, ist aus der Ferne gegriffen. Bei grosser Geschäftslast kann ein zusätzlicher Sessionshalbtag frühzeitig angekündigt werden, was bereits Usanz ist, und an dieser November-Session, wie heute, vorbildlich gemacht wurde. Ebenfalls sind grössere Gesetzgebungsvorlagen oder dringende Geschäfte im Voraus bekannt und können entsprechend geplant werden. An der Januar-Session 2022 hat die Ratsleitung schlichtweg bei der Planung versagt, indem sie die Revision des Schulgesetzes und die Volksinitiative «Jetzt si mir draa» an einer verkürzten Session (nur 2 Halbtage) traktandiert hat. Dringliche Interpellationen sowie Aufträge werden jeweils prioritär behandelt, und schränken das Parlament nicht ein.
- Dass im Einzelfall die öffentlichen Interessen höher zu gewichten sind, also der Büezer bestraft werden soll, und ist nicht nur ein Affront denen gegenüber, sondern auch gegenüber dem geschichtsträchtigen Milizsystem.
- Ebenso ist die Befürchtung der Ratsleitung unberechtigt, dass Debatten eingeschränkt werden müssten. Debatten können immer geführt werden, allenfalls besteht die Möglichkeit, beispielsweise die Redezeit zu kürzen – ich meine, einzelnen Voten können locker innerhalb von fünf Minuten abgehalten werden.
- Die Parlamentarier fällen ihre Entscheide in der Fraktion – und nicht im Plenum, dass ist glaube ich kein Geheimnis, darum ist die Befürchtung der Ratsleitung, dass Nachteile bei der Umsetzung von Beschlüssen entstehen könnten, genauso unbegründet.
- Für taktische Spielchen ist immer eine Ratsmehrheit erforderlich, da der klassische Büezer aber anscheinend in der Minderheit sind, werden solche Spielchen immer zu ihren Ungunsten ausfallen. Es braucht mehr Arbeiter im Parlament, Leute die an vorderster Front stehen. Darum müssen wir diese besser schützen.
Die Politik spricht immer von einem Einzelfall, so auch im Zusammenhang mit diesem Auftrag. Aber ein Einzelfall sollte doch zum Anlass genommen werden, zu reflektieren, etwas zu ändern, sodass aus einem Einzelfall keine weiteren Fälle entstehen und zur Normalität wird. Mit dem Auftrag sollen die Rechte der Milizpolitiker, der unselbständigen Angestellten, der Büezer und der Eltern gestärkt werden. Unser Milizsystem hat sich bewährt, und daran sollten wir nichts ändern.
Die SVP stellt sich geschlossen hinter die Büezer, bewahrt die direkte Demokratie und schätzt unser einmaliges Milizsystem.
Mein Vorstoss vom 21.12.2022
Stellungnahme der Ratsleitung vom 27.06.2023