Interpellation: Auswirkungen der Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) auf den Kanton Solothurn

Interpellation: Auswirkungen der Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) auf den Kanton Solothurn

Wir sprechen hier nicht über eine lediglich technische Anpassung, sondern über einen tiefgreifenden Umbau des internationalen Gesundheitsrechts. Die geplanten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften, kurz IGV, betreffen nicht nur den globalen Gesundheitsschutz, sondern greifen massiv in nationale Souveränität, Föderalismus, Gewaltenteilung und Grundrechte ein. Wer das, wie unser Regierungsrat, verharmlost, betreibt gefährliche Augenwischerei. 

Die WHO-Revision vom 1. Juni 2024 ist kein Verwaltungsakt, sondern ein geopolitischer Kurswechsel. Sie überträgt einer demokratisch nicht legitimierten Organisation operative Macht über nationale Entscheidungsprozesse. Das darf nicht stillschweigend akzeptiert werden.

Der Bundesrat hat – entgegen meiner und vieler anderer Auffassung – im November von letztem Jahr das Opting-out nicht wahrgenommen, wie fälschlich in meinem Vorstoss erwähnt. Stattdessen rief er lediglich zur Vernehmlassung auf. Mit intransparenter Kommunikation sollen die Änderungen hinterrücks eingeführt werden. Brisant ist auch der Zeitpunkt: Am letzten Tag der Sommersession des Nationalrats entschied der Bundesrat, die revidierten IGV zu übernehmen – ohne Opting-out, ohne parlamentarische Mitsprache, ohne Referendumsmöglichkeit.

Dieses Vorgehen ist hochproblematisch:

  • Der Bundesrat ignoriert damit nicht nur über 48’000 Petitionäre, sondern auch zahlreiche ablehnenden Vernehmlassungsantworten.
  • Die vom nationalen Parlament klar angenommene Motion «Kein WHO-Abkommen ohne parlamentarische Genehmigung» sowie eine hängige GPK-Aufsichtsanzeige wurde ignoriert. 

Kommen wir nun auf die Beantwortung der Fragen zu sprechen:  

Frage 1: Keine Gesetzesanpassungen notwendig?
Der Regierungsrat übernimmt unkritisch die Haltung des Bundes. Doch Artikel 13 der IGV verpflichtet zur Produktbevorratung nach WHO-Vorgaben – mit Folgen für Landesversorgung, Beschaffungsrecht und Budgethoheit. Annex 6 verlangt digitale Gesundheitszertifikate. Bereits nach der IGV-Revision 2005 mussten zahlreiche Staaten ihre Epidemiegesetze anpassen – darunter auch die Schweiz. Kaum hat der Bundesrat die IGV-Revision dem Parlament und Volk vorbeigeschleust, hat er vor zwei Wochen die Botschaft zum revidierte Epidemiegesetz verabschiedet. Dieses soll den Bund neu ermächtigen, in persönlichen Krankenversicherungsakten herumzuschnüffeln, auch in einer normalen Lage einschneidende Massnahmen zu verordnen und Zertifikate flächendeckend einzusetzen. Dabei weiss mittlerweile jeder rational denkende Mensch, dass diese nichts brachten. 

Frage 2: Eigenständige Prüfung durch den Kanton?
Die Stellungnahme des Regierungsrats zur Frage 2 basiert einzig auf Bundesrats- und GDK-Einschätzungen. Formulierungen wie „es wird davon ausgegangen“ zeigen: Eine unabhängige kantonale Analyse fehlt – trotz möglicher Auswirkungen auf föderale Zuständigkeiten und Finanzhoheit. Gerade im Gesundheitsbereich wäre eine kritische Auseinandersetzung Pflicht gewesen.

Frage 3: Informationsmonopol der WHO?
Entgegen der Behauptung des Regierungsrates auf die Frage 3 besteht sehr wohl ein Informationsmonopol der WHO, Annex 1 Abs. 2 Lit. c von den IGV fordert Staaten klar auf, gegen „Misinformation“ und «Desinformation» vorzugehen – nach WHO-Massstab. Das schafft faktisch ein Zensurregime. Inhalte, die der WHO widersprechen, könnten unterdrückt werden. Ein direkter Angriff auf die Meinungsfreiheit gemäss Art. 16 und 17 BV.

Frage 4: Kein Infrastrukturausbau?
Annex 1 von den IGV verlangt dauerhafte Kapazitäten für Kommunikation, Überwachung und Logistik – unabhängig vom Notstand. Diese Vorgaben sind kostenintensiv und auch völlig realitätsfern. Wir werden künftige Anträge für Budgeterhöhungen mit Verweis auf die heutige Position des Regierungsrats strikt ablehnen.

Frage 5: Keine Verpflichtung zur Produktbeschaffung?
Artikel 13 Abs. 9 nennt ausdrücklich die Pflicht zur Bereitstellung „relevanter Gesundheitsprodukte“. Die WHO entscheidet, was „relevant“ ist – von Diagnostika bis genbasierten Therapien. Die Vorgaben mögen formal für den Regierungsrat „unverbindlich“ sein, wirken aber faktisch wie ein Gesetz. Produkte ausserhalb der WHO-Liste haben kaum Marktchancen mehr. Das gefährdet Innovation, Wettbewerbsfreiheit und die medizinische Wahlfreiheit – ein weiterer direkter Eingriff in Grundrechte.

Frage 6: Gewaltenteilung gewahrt?
Unser Regierungsrat sieht die Gewaltenteilung als respektiert, obwohl Artikel 12 Abs. 4bis von den IGV dem WHO-Generaldirektor die alleinige Entscheidungsmacht zur Ausrufung einer Notlage gibt – selbst gegen Fachgremien. Das widerspricht jedem rechtsstaatlichen Prinzip.

Frage 7: Schutz vor Fehlentscheiden der WHO?
Die Empfehlungen der WHO gelten über Artikel 35ff. und Annex 6 de facto als verbindlich – etwa bei Zertifikaten oder Grenzübertritten. Nationale Instanzen haben keine effektive Kontrollmöglichkeit. Die Bevölkerung trägt somit die Folgen bei Fehlentscheidungen – ohne Korrektiv. Auch hier liegt der Regierungsrat mit seiner Einschätzung daneben. 

Frage 8: Grundrechte geschützt?
Digitale Zertifikate, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und indirekter Impfzwang verletzen Art. 10 BV (körperliche Unversehrtheit) und Art. 13 BV (Privatsphäre). Die Regierung blendet diese Risiken einfach aus.

Frage 9: Bevölkerung ausreichend eingebunden?
Der Regierungsrat stellt internationale Verantwortung über innerstaatliche Legitimation. Doch ohne parlamentarische Beratung oder Volksabstimmung fehlt jeder demokratische Rückhalt.

Frage 10: Ist eine Volksabstimmung notwendig?
Der Regierungsrat will wie auch der Bundesrat diese Revision am Volk vorbeischmuggeln. Warum wohl? Dabei betrifft die Revision zentrale Fragen der Grundrechte, Souveränität und öffentlichen Ordnung. Sie darf nicht technokratisch durchgewinkt werden – sie gehört zwingend vors Volk.

Der Regierungsrat übernimmt blind die Positionen von Bund und WHO. Eine kritische Würdigung auf kantonaler Stufe fehlt. Verfassungsrechtliche, föderalistische und demokratische Bedenken bleiben unbeachtet. Mit der Entscheidung des Bundesrats und der gleichgültigen Haltung des Regierungsrats verlieren wir dauerhaft die Kontrolle über unsere gesundheitspolitischen Entscheidungen.

Vorstoss und Stellungnahme des Regierungsrats

Bild: Tagesspiegel

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